KIPPPUNKTE AM IMMOBILIENMARKT

Conrad Meissler in der 'HafenCity Zeitung' und dem Hamburger 'Klönschnack'
Bisher hörten wir von Kipppunkten im Zusammenhang mit der Entwicklung unseres Weltklimas. Hier meinen Kipppunkte einen kritischen Grenzwert, an dem eine kleine zusätzliche Störung zu einer qualitativen Veränderung im System führen kann. Die Kipp-Elemente reagieren oft lange Zeit nur wenig auf den Klimastress, aber wenn die Belastung dann nur geringfügig weiter zunimmt, kommt es zum Umkippen. Betroffen wären zum Beispiel Permafrost-Böden, der Golfstrom oder der Amazonas-Regenwald.

Auch am Immobilienmarkt gibt es Kipppunkte, die wir sehr genau beobachten, nämlich das Verhältnis Angebot und Nachfrage unter Berücksichtigung der Zinsentwicklung. Punkte wie das Einkommensniveau, die finanzielle Leistungsfähigkeit oder ein bestehendes Geldvermögen sind dabei Komponenten der Nachfrageentwicklung. Sollten die Zinsen weiter deutlich anziehen, so wird ein Kipppunkt erreicht, an dem sich immer weniger Menschen eine Wohnimmobilie leisten können und die Nachfrage wird sinken. Das gleiche gilt für die Nachfrage von Kapitalanlegern, die ihr Geld nachhaltig anlegen und unter wenig Risiko eine möglichst hohe Verzinsung erzielen wollen. Sobald Zinsen von mit Immobilien konkurrierenden Kapitalanlagen, z.B. bestimmte Sparformen oder Anleihen von Unternehmen oder des Staates, höher sind als die Erträge aus Immobilien, wird auch von dieser Seite die Nachfrage nach Immobilien sinken.

Der Immobilienmarkt ist genau so träge wie das Klima, Wendepunkte kommen sehr, sehr langsam, Kipppunkte sind äußerst selten. Nach über 17 Jahren Aufschwung am Immobilienmarkt könnte ein Kipp-Szenario allerdings wahrscheinlicher werden und die Preise plötzlich deutlich fallen. Gegen ein solches Fallen sprechen jedoch Tendenzen, die das Angebot weiter verknappen und die Nachfrage hoch halten. Denn angesichts der unkalkulierbar steigenden Baukosten geht der aktive Wohnungsneubau und damit das Angebot auch in Hamburg spürbar weiter zurück. Die hohe Inflation von rund 8 Prozent stärkt wiederum die Nachfrage nach Immobilien zur Kapitalanlage oder zur Geldwertabsicherung. Das scheinen auch viele Marktteilnehmer am Bau zu erkennen, scheinen sie doch eine absehbare Entspannung von Kipppunkt-Szenarien zu erwarten. Per Ende April 2022 stieg jedenfalls die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen in Hamburg wieder gegenüber dem Vorjahr.

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