ZEITANWENDE AM IMMOBILIENMARKT

Conrad Meissler für den Hamburger 'Klönschnack' und die 'HafenCity-Zeitung'
Die Zinswende, so können wir es gegenwärtig vielfach lesen, bedeutet für den Immobilienmarkt eine Zeitenwende. Die Rechnung für Immobilienkäufer, die den Umschwung bezeichnet, ist leicht erstellt. Kostete die Finanzierung eines kleinen Reihenhauses mit etwa 100 qm Wohnfläche bei einem Kaufpreis von 900.000 Euro und unter Einsatz von 150.000 Euro Eigenmittel bei 1 Prozent Zinsen p.a. und einer Zinsbindung von zehn Jahren noch Ende vergangenen Jahres umgerechnet monatlich 625 Euro, so liegen die Kosten aktuell bei 1.875 Euro, also dem Dreifachen. Berücksichtigt ist dabei nicht die Tilgung, die in der Regel bei mindestens 2 Prozent p.a. liegt. Es ergibt sich eine Verteuerung im Monat von 1.250 Euro auf 3.125 Euro, ohne laufende Betriebskosten zu berücksichtigen. Je höher also die Zinsen steigen, umso kleiner wird die Gruppe derjenigen, die sich noch Immobilien im genannten Preisspektrum leisten können. Nicht allzu lange dürfte es dauern, bis die Nachfrage schwindet und die Preise zu sinken beginnen. Der Zinsanstieg allein würde einen Preisrückgang bei Wohnimmobilien von 25 Prozent rechtfertigen.

Zinsen allein machen jedoch noch keinen Markt, sonst wären in der letzten Hochzinsphase nach der Wiedervereinigung Anfang der neunziger Jahre mit Zinsen von über 10 Prozent p.a. wohl kaum Verkäufe von Immobilien möglich gewesen. Zinsen allerdings sind das Abbild für eine allgemeine Marktentwicklung. Aktuell resultieren sie aus der stark zunehmenden Inflation. Diese wieder ist das Ergebnis von Lieferengpässen, entstanden durch die Corona-Pandemie und scharf steigenden Energie- und Materialpreisen als Effekt des Ukraine-Kriegs. Material- und Lieferengpässe verzögern und behindern Bauvorhaben, machen sie vielfach unkalkulierbar, so dass paralell zu einer möglicherweise sinkenden Nachfrage mittelfristig auch das Angebot sinken dürfte. Doch ob es angesichts der neuerlichen Flüchtlingsströme – dieses Mal aus der Ukraine – zu einem sinkenden Bedarf am Wohnungsmarkt, erscheint uns unwahrscheinlich.

Wir erwarten insofern keine scharfen Rückgänge am Wohnimmobilienmarkt, sondern eher eine Seitwärtsbewegung, die aber erst dann beginnt, wenn sich der aktuelle Ansturm auf Wohnimmobilien verlangsamt. Denn derzeit versuchen im wachsenden Maß Interessenten, die noch halbwegs günstigen Finanzierungen zu sichern und stoßen dabei auf das noch sehr knappe Angebot.

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